Gebäude

 

Das Münster St. Wunibald in Heidenheim -
Evangelisch-Lutherische Pfarrkirche

 

Blick vom Innenhof des ehemaligen
Klosters auf die Türme des
Heidenheimer Münsters


Unter den kirchlichen Bauwerken des Hahnenkamms steht die ehemalige Klosterkirche in Heidenheim an erster Stelle.
Das Kloster gründete 752 der aus angelsächsischer adeliger Familie stammende, fein gebildete und weit gereiste Mönch Wunibald.
Dabei wurde er von seinem Bruder Willibald, der in Eichstätt zunächst Klosterbischof war und wohl erst Jahre später Diözesanbischof wurde, unterstützt. Wunibald war Abt bis zu seinem Tod im Jahr 761. Danach übernahm seine Schwester Walburga die Leitung des Mönchs­klosters und errichtete dazu einen Nonnenkonvent, der ihren Tod aber nur kurz überdauerte. Walburga starb 779 und wurde in ihrer Klosterkirche beigesetzt. Hundert Jahre später überführte der Bischof ihre Gebeine nach Eichstätt. Wunibald und Walburga werden bis zum heutigen Tag auch in Heidenheim als Heilige verehrt. Im Jahr 787 starb Bischof Willibald, der letzte Erbe des angelsächsischen Familienklosters. Sein Nachfolger wandelte das Kloster in ein Kanonikerstift um. Im Zuge der benediktinischen Klosterreform (,,Hirsauer Reform") wurde ab 1150 die Wiederherstellung des Benediktinerklosters betrieben und dabei wurde Adelbert als Reform-Abt eingeführt, der sich jedoch erst 1155 nach Intervention durch König und Papst durchsetzen konnte.

Die bestehende ehemalige Klosterkirche wurde ab den Sechzigerjahren des 12. Jahrhunderts errichtet; Altar- und Kirchenweihen sind zwischen 1183 und 1188 überliefert. Das Langhaus, eine romanische Pfeilerbasilika mit Vorhalle und Querschiff, entspricht in seiner klaren, har­monischen Architektur den Gepflogenheiten Hirsauer Reformbauweise. Ebenso hirsauisch geprägt war die ur­sprüngliche, mehrfach gegliederte Choranlage. Die beiden Seitenschiffe setzten sich jenseits des Querhauses als Nebenchöre fort, die den Hauptchor flankierten. Diese drei Chorteile, die durch Bogenöffnungen miteinander verbunden waren, schlossen jeweils in einer Apsis. Zusam­men mit den am Querhaus unmittelbar anschließenden Apsiden präsentierte sich die romanische Ostpartie als fünfteiliger Staffelchor. Die Fundamente wurden ergraben und dokumentiert. Diese Chorlösung ist in Bayern nur noch in den von Hirsau beeinflussten Klosterkirchen St. Michael in Bamberg und St. Georg in Regensburg­Prüfening nachweisbar. Der romanische Chor musste in der Gotik einem hohen, kreuzrippengewölbten, ein­räumigen Chor weichen, der ab der Mitte des 14. Jahr­hunderts aufgeführt wurde. Aus dem Kontrast zwischen dem gedämpft erhellten Langhaus und dem licht­durchfluteten Chor gewinnt der Gesamtraum der Kloster­kirche seinen besonderen Reiz.
Einzigartig ist die Walburga-Grabkapelle, die gegen Mitte des 13. Jahrhunderts an der Nordseite des Mittelschiffs zwischen zwei Pfeiler der nördlichen Arkadenreihe hinein gebaut wurde und wohl die ursprüngliche Grabstelle der Heiligen markiert. Besonders schön sind die Säulchen mit Kapitellen der ausgehenden Romanik an der Ost- und Nordseite der Kapelle. Im Inneren steht die Walburga­tumba von 1484, deren Deckplatte die Heilige im Gewand der Äbtissin zeigt. Der Kapellenbau zeugt von einem Kult der Heiligen in Heidenheim.
In der Vierung der Kirche steht die Wunibaldstumba, deren Deckplatte von 1483 den Heiligen als Gründungs­abt zeigt. Beide Tumben wurden wohl als Erinnerungs­male im Rahmen einer Neuausstattung der Kirche im spä­ten 15. Jahrhundert an ihrem gegenwärtigen Platz aufge­stellt. Dabei enthielt die Wunibaldstumba zunächst noch die Gebeine des Heiligen, während die Walburgistumba von Anfang an nur der Ergänzung der Gedenkstätte der Walburgakapelle diente. Bedeutende Grabmäler des 14. und 15. Jahrhunderts von Äbten, Vögten und Förderern des Klosters sind in den Fußboden und in die Wand des nördlichen Seitenschiffes eingelassen, darunter die Doppelgrabplatten des Grafen Ulrich von Truhendingen und seiner Frau Imagina (nach 1310) und des Wirich von Treuchtlingen und seiner Frau Agnes (um 1349).

Graf Ulrich von Truhendingen (gestorben 1310) und
seine Gemalin Imagina, eine Nichte des deutschen
Königs Adolf von Nassau

Graf Ulrich von Truhendingen (gestorben 1310) und seine Gemalin Imagina, eine Nichte des deutschen Königs Adolf von Nassau aufgelöst. Seitdem dient die Kirche der evangelisch­lutherischen Gemeinde. Anlässlich der Restaurierung in der 60er- und 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts wuchs eine Rückbesinnung auf die gemeinsamen Wurzeln bei­der christlicher Konfessionen in der Zeit der Kloster­gründung durch angelsächsische Missionare.
Die Societas Sancti Wunibaldi und die evangelische Kir­chengemeinde setzten Zeichen der Ökumene und halten seitdem in einem Gottesdienst am Walburgistag (1. Mai) das Gedenken an die Heiligen lebendig. Am Wunibalds­tag (18. Dezember) des Jahres 1981 wurde der von Bild­hauer Helmut Ammann, München, geschaffene Fünf­Boten-Altar im Chor der Kirche eingeweiht.
An die Nordseite der Kirche lehnt sich der stimmungsvolle spätgotische Kreuzgang an, dessen Flügel mit unter­schiedlichen Gewölbefigurationen im Rahmen der Klos­terrestaurierung wiederhergestellt wurden. Im Südflügel ist ein Grundstein mit der Jahreszahl 1485 eingelassen, im Nordflügel einer mit der Jahreszahl 1487. Abgearbeitete Wandkonsolen deuten darauf hin, dass die Gewölbe Vor­gänger hatten. Eng gruppieren sich die ehemaligen Klostergebäude um das Kreuzganggeviert. Ihr heutiges Aussehen erhielten sie in den Zwanzigerjahren des 18. Jahrhunderts. Im Ost­flügel, im Bereich des ehemaligen Kapitelsaals, ist eine Sammlung aufgefundener Bauteile mit einem Lageplan der ehemaligen Klosteranlage ausgestellt. Durch dieses Lapidarium gelangt man auf die Ostseite des Klosters zum ,,Heidenbrunnen". Nach der Ortstradition war hier die Taufstelle der angel­sächsischen Missionare. Die starke Quelle war sicherlich für die Wahl des Ortes der Klostergründung mit aus­schlaggebend. Im 15. Jahrhundert wurde die Quellfassung mit einer rippengewölbten offenen Halle überbaut.

Flügel im Kreuzgang des ehemaligen Klosters
Heidenbrünnlein

Text aus:
Schrenk, Johann und Zink, Karl Friedrich „Gotteshäuser". Wek-Verlag Treuchtlingen-Berlin
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags.
Fotos: Margit Schneider